Nach einem ersten Urteil vom 17.03.2021 (Az.: 5 O 189/20) hat das Landgericht Stade jetzt nachgelegt und die Volkswagen AG wieder für einen Seat Exeo ST 2.0 TDI mit dem Vierzylinder-Dieselmotor EA189 (Euro 5) zu Schadenersatz verurteilt (Urteil vom 26.03.2021, Az.: 5 O 266/20). Die Volkswagen AG muss 5651,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2020 zahlen. Die Beklagte wurde ferner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 571,44 Euro freizustellen und 82 Prozent der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der geschädigte Verbraucher hatte das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 24.262 Kilometern am 11. Dezember 2012 für 13.000 Euro erworben und bis zum Urteil gefahren. Die Laufleistung betrug Mitte Februar 2021 150.127 Kilometer.
Die Entscheidungsgründe des Gerichts im Sinne des geschädigten Verbrauchers sind bekannt. Der Vierzylinder-Dieselmotor EA189 des streitgegenständlichen Seat Exeo verfügt über eine Fahrzykluserkennung in der Motorsteuergeräte-Software. Sobald die Software den Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ erkennt, schaltet sie die Abgasrückführung in den NOX-optimierten Modus 1. Die Abgasrückführungsrate wird erhöht, indem Abgas aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet wird, wo es einen Teil der Frischladung ersetzt, die für den nächsten Verbrennungsprozess benötigt wird. Befindet sich das Fahrzeug dagegen im normalen Straßenverkehr, schaltet die Software in den Modus 0, der keine höhere Abgasrückführungsrate vorsieht und somit einen höheren Stickoxidausstoß bewirkt.
Die Behauptungen die Volkswagen AG, das Fahrzeug sei umweltfreundlich, technisch sicher, uneingeschränkt gebrauchstauglich und weiterhin als Fahrzeug der Abgasnorm Euro 5 klassifiziert und dass die verbaute Software des Motorsteuergeräts und die konkreten Emissionswerte des Fahrzeugs sich auf die Kaufentscheidung des Klägers nicht ausgewirkt hätten, ließ das Gericht nicht gelten. Ebenso versuchte sich die Volkswagen AG mit der Angabe aus der Affäre zu ziehen, die Entscheidung, die Software des Motorsteuergeräts zu verändern, sei von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden. Weder ihr Vorstandsvorsitzender noch andere Mitglieder ihres Vorstandes hätten von der Entwicklung der Software gewusst.
Das Gericht stellte aber klar: „Der Kläger hat hinreichend substantiiert vorgetragen, dass der millionenfache Einbau der manipulierten Steuergeräte-Software mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstands der Beklagten erfolgt sein muss. Die Beklagte hat das Vorbringen des Klägers nicht wirksam bestritten. Sie hat lediglich vorgetragen, ihr lägen nach dem derzeitigen Stand ihrer Ermittlungen keine belastbaren Erkenntnisse dazu vor, dass Vorstandsmitglieder von dem Einsatz der Software gewusst und diesen gebilligt hätten.“
Zwar hat der Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, weil dieser Tatbestand am 31. Dezember 2019 verjährt war. Es stand ihm aber ein gleichartiger Anspruch aus § 852 BGB zu. Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist. Der von der Volkswagen AG erschlichene finanzielle Vorteil muss an die Geschädigten zurückgegeben werden, und die Verjährung tritt frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein.