Das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 09.03.2021, Az.: 10 U 339/20) hat ein Dieselurteil des Landgerichts Ellwangen (Az.: 2 O 177/20) im Wesentlichen bestätigt und damit für neuerlichen Schwung im Dieselabgasskandal der Volkswagen AG im Hinblick auf den Schummeldiesel der ersten Generation gesorgt. Schließlich hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart damit deutlich gegen die Verneinung von Schadenersatzansprüchen wegen einer möglichen Verjährung gestellt. Streitgegenständlich war ein VW Polo 1.6 TDI mit dem Dieselmotor vom Typ EA189 und der Abgasnorm Euro 5, also ein von Dieselgate 1.0 betroffenes Modell.
Der geschädigte Verbraucher hatte das Fahrzeug am 25. Januar 2012 erworben und erhält für seinen VW Polo von 2012 14.958,92 Euro Schadenersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 12. Mai 2020 zu zahlen. Die Volkswagen AG wurde zudem verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.005,55 Euro freizustellen. Der Autohersteller trägt auch 55 Prozent der Verfahrenskosten. Eine weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht Stuttgart macht zwar deutlich, dass dem Kläger schon 2015 nach Kenntnisnahme der Abgasmanipulationen die Erhebung einer Klage zuzumuten gewesen sei. Die Verjährungsfrist begann daher mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen und endete mit dem Schluss des Jahres 2018. Nichtsdestotrotz erweist sich nach Ansicht der Berufungsrichter das angefochtene Urteil als im Wesentlichen zutreffend. Aus der Verjährung des Anspruchs auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ergeben sich die erstinstanzlich zugesprochenen Ansprüche aus § 852 BGB.
Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist. Der von der Volkswagen AG erschlichene finanzielle Vorteil muss an die Geschädigten zurückgegeben werden, und die Verjährung tritt frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein. Nach der Einschätzung des Gerichts im streitgegenständlichen Fall genügt für den Restschadenanspruch aus § 852 BGB, dass die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs vorliegen. Das bedeutet: Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. Mai 2020 bereits deliktische Ansprüche zugesprochen hat, stehen die Schadensersatzansprüche den geschädigten Dieselkäufern aus § 852 BGB auch heute noch in jedem Fall zu. Damit können eben auch dann Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB wegen eingetretener Verjährung nicht mehr besteht.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat festgestellt, dass in der Motorsteuerung eine illegale Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Umschaltlogik installiert ist. Diese für die Abgaskontrollanlage zuständige Software erkennt bekanntlich aufgrund des Fahrverhaltens, ob sich das Fahrzeug im Straßenverkehr oder auf dem Prüfstand befindet. Unter diesen Prüfstandsbedingungen ist die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide entstehen. Im normalen Fahrbetrieb dagegen werden Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt mit der Folge, dass die NOx-Emissionen dann erheblich höher sind.