Das Landgericht Berlin (Urteil vom 12.03.2021, Az.: 3 O 177/20) hat dem VW-Dieselgate 2.0 weiteren Schwung verliehen. Der Richter hat die Volkswagen AG dazu verurteilt, an den geschädigten Verbraucher für einen VW T6 Multivan 2.0 TDI 4-Motion (Bulli) mit dem Motortyp EA288 und der Abgasnorm Euro 6 den Betrag von 42.600 Euro als Schadenersatz zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 22. November 2019 zu zahlen. Ebenso wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 990,08 Euro erledigt ist.
Das Gericht betont, dass in dem Motor ein SCR-Katalysator verbaut ist, der mit der künstlichen Harnstofflösung AdBlue betrieben wird. Diese wird im Katalysator zu Ammoniak umgewandelt, der sodann mit NOx reagiert, was den Ausstoß von Stickoxiden verringert. Ferner wird in dem Motor ein Abgasrückführungssystem eingesetzt, um den Ausstoß von Stickoxiden zu vermeiden. Dabei wird Abgas über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet, ersetzt dort einen Teil der für den nächsten Verbrennungsprozess benötigten Frischladung und sorgt so für eine Absenkung der Verbrennungstemperatur, was dazu führt, dass weniger Stickoxide entstehen. Die Motorsteuerungssoftware war bei der Auslieferung so programmiert, dass die Abgasrückführung nur bei Außentemperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius optimal funktioniert.
Der Kläger hat angeführt, dass im Prüfstandsbetrieb dem Katalysator mehr AdBlue zugeführt werde als im Normalbetrieb, um auf dem Prüfstand die Grenzwerte zu erreichen. Im Normalbetrieb werde die Zuführung von AdBlue in Abhängigkeit vom Füllstand gesenkt. Ebenso handle es sich beim vorliegenden Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Das sind die typischen Gründe für eine erfolgreiche Betrugshaftungsklage wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.
Auch das von der Volkswagen AG aufgeseilte Software-Update habe keine Verbesserung geschaffen, im Gegenteil: Die Emissionswerte seien im Realbetrieb trotzdem zu hoch. Zudem führe das Update zu Folgemängeln in Form von Leistungsverlust, erhöhtem Kraftstoffverbrauch, erhöhten Rohpartikelemissionen und CO2-Emissionen, Ruckeln des Motors, sinkender Lebensdauer des Rußpartikelfilters der Versottung von Abgaskanälen und häufigerem Nachfüllen von AdBlue. Daraus folge ein wirtschaftlicher Verlust. Für das Gericht ist klar, dass mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeuge sachmangelhaft sind und dadurch der Anspruch aus § 826 BGB entsteht. Schließlich ist dem Kläger durch das sittenwidrige Verhalten ein Schaden entstanden, der im Abschluss des Kaufvertrags über das manipulierte Fahrzeug liegt.
Das neuerliche Urteil zeigt, dass das VW-Dieselgate 2.0 noch am Anfang steht, während Dieselgate 1.0 zusätzlich auch noch lange nicht erledigt ist. Mehr und mehr Gerichte verurteilen die Volkswagen AG für die Manipulationen am vermeintlich sauberen EA288 wegen der vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB und sprechen den Geschädigten hohe Schadensersatzzahlungen zu. Der Weg zu einer wirtschaftlich guten Lösung für Dieselfahrer im Dieselgate 2.0 führt also nur über die Gerichte!