Ein äußerst interessantes Urteil im Abgasskandal ist von dem Landgericht Bonn gesprochen worden (10.11.2020). Für einen am 15. März 2010 erworbenen VW Golf 1.6 TDI mit dem Dieselmotor der Baureihe EA189 und der Abgasnorm Euro 5 erhält der geschädigte Verbraucher 5901,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. April 2020. Die Volkswagen AG wurde außerdem verurteilt, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 571,44 Euro freizustellen. Die Volkswagen AG muss ebenso 63 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung wie der streitgegenständliche VW Golf eine Laufleistung von 199.344 Kilometern auf.
Das Gericht führt die altbekannten Gründe für das verbraucherfreundliche Urteil an. Volkswagen hatte den EA189-Motor mit einer unzulässigen Umschaltsoftware ausgestattet, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Straßenverkehr oder auf einem Laborprüfstand befindet. Im diesem Falle bewirkte die Software einen Betrieb des Motors, bei dem hinsichtlich des Ausstoßes von Schadstoffen die Euro 5-Grenzwerte eingehalten werden (Betriebsmodus 1). Im normalen Straßenverkehr hingegen führt die Umschaltsoftware dazu, dass der Motor die Grenzwerte nicht einhält (Betriebsmodus 0).
Das bedeutet: Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. Mai 2020 bereits deliktische Ansprüche zugesprochen hat, stehen die Schadensersatzansprüche den geschädigten Dieselkäufern aus § 852 BGB auch heute noch in jedem Fall zu. Damit können eben auch dann Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB nicht mehr besteht.
Im Übrigen können Verbraucher auch nach Eintritt der Verjährung gegen wirtschaftliche Bereicherung eines Konzerns zum Beispiel durch Betrug ihren Schadensersatzanspruch durchsetzen. Dabei haben Verbraucher bis zu zehn Jahre nach Aufdeckung der Schädigung Zeit, sich rechtlich zu wehren – im VW-Abgasskandal wäre das bis mindestens 2025. Übrigens könnte die Verjährung im Februar 2021 von vorn beginnen. Dann befasst sich der BGH mit der Legalität des für den Motorentyp EA189 entwickelten Software-Updates, das VW betroffenen Fahrzeugen aufspielte. Dieses sollte die Fahrzeuge sauber machen. Doch es soll ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten. Aufgrund dessen bestehen daher neue Möglichkeiten für geschädigte Verbraucher.
Das Dieselgate 2.0 bezüglich des VW-Nachfolgemotors des Typs EA288 der Abgasnorm Euro 6 hingegen ist auf keinen Fall von der etwaigen Verjährungsproblematik des VW-Vorgängermotors des Typs EA189 oder der vom Bundesgerichtshof entwickelten Spätkäufer-Problematik betroffen und somit noch lange nicht beendet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Gerichte den geschädigten Dieselkäufern in den nächsten Jahren zudem weitreichende Schadensersatzansprüche zusprechen werden.