Vor dem Landgericht Berlin hat die Audi AG eine weitere herbe Niederlage im Dieselabgasskandal einstecken müssen. Die Richter verurteilten den Autohersteller zur Rücknahme eines Audi A5 3.0 TDI und zur Zahlung von Schadensersatz (Urteil vom 24.11.2020, Az.: 16 O 378/19). Der Wagen ist mit dem Dieselmotor EA897 mit der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet. Der geschädigte Verbraucher erhält die hohe Summe von 45.197,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. November 2019 für das Fahrzeug, dass er als jungen Gebrauchten (9900 Kilometer) im März 2016 zum Preis von 47.700 Euro gekauft hatte. Die Audi AG muss zudem 77 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
Das Gericht stellt ganz eindeutig heraus, dass sich die Audi AG einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung schuldig gemacht hat. Im Streitfall ist die Klägerin, vernlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten, eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Von dieser ungewollten Verplichtung und der damit eingehenden Belastung müsse sich ein geschädigter Verbraucher befreien können. Es ist ein Schaden eingetreten, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen als unvernünftig anzusehen ist.
Im Kern geht es technisch einmal mehr darum, dass die Motorsteuerungssoftware so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer illegalen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Die Wirkung des Emissionskontrollsystems wird durch die Verwendung einer mit einer Prüfzykluserkennung einhergehende Aufheizstrategie unzulässig verringert. Dass Abschaltvorrichtungen grundsätzlich illegal sind, wenn sie zu erhöhtem Emissionsausstoß im realen Straßenbetrieb führen, hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof Eleanora Sharpston in einem vielbeachteten Verfahren am 30. April 2020 klargemacht. Diese Vorrichtungen seien nur in ganz engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors erlaubt.
Der Kläger habe durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll brauchbar war, weil der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Sachmangel zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe im Zeitpunkt des Erwerbs eine unzulässige Abschalteinrichtung aufgewiesen. Damit habe ein Sachverhalt vorgelegen, der dazu hätte führen können, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung vornehmen könnte.
Viele Gerichte haben zum EA897 bereits verbraucherfreundlich geurteilt. Das Landgericht Oldenburg beispielsweise hatte Mitte Mai 2020 bereits die Audi AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB (Az. 4 O 106/19) verurteilt. Dabei ging es um einen Audi SQ5 3.0 TDI mit einem EA897-Motor, bei dem nach Ansicht des Gerichts mit einer Reihe von unzulässigen Abschalteinrichtungen das Abgaskontrollsystem manipuliert wurde. Das Gericht sah die vorsätzliche Schädigung als erwiesen an. Das Landgericht Offenburg (Urteil vom 07.05.2020, Az.: 4 O 106/19) wiederum hatte die Volkswagen AG für einen Audi SQ5 competition quattro 3.0 TDI mit dem EA897 verurteilt. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dreiliter-Sechszylinder-Dieselmotor ausgerüstet, der eine Leistung von 326 PS erreicht. Die Begründung des Gerichts lautet unter anderem: „Mit dem Kaufvertragsschluss hat der Kläger ein mangelhaftes Fahrzeug mit einem manipulierten Motor erworben und somit ein für ihn wirtschaftlich nachteiliges Geschäft abgeschlossen. Der Kläger hat nicht das bekommen, was ihm aus dem Vertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.“