Die Volkswagen AG kommt aus dem Strudel von Dieselgate 2.0 offensichtlich nicht mehr heraus. Fünf Jahre nach Aufdeckung des Dieselskandals gibt es neue, stichhaltige Hinweise auf Abschalteinrichtungen in den VW-Motoren des Typs EA288. Nach Recherchen von „Report Mainz“ (SWR) kam es auch bei den neueren Dieselmotoren zu auffälligen Messwerten. Darüber berichtet unter anderem Tagesschau.de.
Der Hintergrund: Ein Katalysator-Entwickler und Ingenieur hat bei einem Golf 7 mit dem berühmt-berüchtigten VW-EA288-Motor Abgastests durchgeführt. Die Abgasmessungen auf Testfahrten lieferten neue Belege, dass bei dem Golf auf der Straße ein Vielfaches der Stickoxid-Emissionen entsteht, die eigentlich auf dem Prüfstand ermittelt worden sind. Im Ergebnis lagen Emissionen deutlich über den bei einem Prüfstandstest erlaubten Werten. Ebenso ist die Abgasreinigung dem Bericht zufolge abhängig von der Außentemperatur.
Damit ist einmal mehr der eindeutige Beweis erbracht, dass auch im EA288, der als der vermeintlich saubere Euro 6-Nachfolger des EA189 gilt, der damals den Dieseskandal 1.0 ausgelöst hat, ebenfalls illegale Abschalteinrichtungen verbaut sind. Das Ergebnis deutet sehr stichhaltig auf das Vorliegen sogenannter Thermofenster hin. Dies hat zur Folge, dass die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen zurückgefahren und ein abweichender Stickoxidausstoß erzielt wird. Eine signifikante Reduktion wird dabei jedenfalls bei einer Temperatur von fünf Grad Celsius erreicht.
Diese Thermofenster hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am 30. April 2020 in einem Gutachten als temperaturabhängige Abschalteinrichtung als eindeutig unzulässig eingestuft. Die Einschätzung der EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston, dass Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig sind, wenn sie dazu führen, dass die Grenzwerte beim Emissionsausstoß nicht eingehalten werden, hat weitreichende Auswirkungen und betrifft nicht nur Fahrzeuge mit dem Dieselmotor des Typs EA189, sondern eben auch Modelle mit dem VW-Nachfolgemotor EA288.
Das Interessante: Auf Anfrage von „Report Mainz“ teilte VW hierzu mit, dass man diese Abschaltung für legal halte, da sie dem „Motorschutz“ diene. Es ist das erste Mal, dass die Volkswagen AG die Thermofenster zugibt. Denn noch vor einem Jahr hat der Konzern diese bestritten. Wir sehen darin eine klare vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB, da die Fahrzeuge nur in einem Temperaturbereich, in dem Prüfstands-Messungen durchgeführt werden, sauber sind, um eine Typgenehmigung zu erreichen. Im Straßenverkehr gilt dies aber nicht.
Der „Report Mainz“ geht auch kritisch mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ins Gericht. Beim Golf 7 mit dem Motorentyp EA288 stellte das KBA laut dem Bericht beispielsweise fest, dass dieser auf der Straße rund zehnmal so viel Stickoxide ausstößt wie auf dem Prüfstand. Aber dennoch liege kein Manipulationsverdacht vor. Der Vorteil: Das Landgericht Offenburg (Urteil vom 29.07.2020, Az.: 3 O 39/20) hat der Volkswagen AG insofern eine herbe Niederlage im Dieselgate 2.0 beigebracht und wegen der Abgasmanipulationen am Euro 6-Skandalmotor EA288 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt, obwohl der streitgegenständliche VW Sharan noch keinem offiziellen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts unterliegt beziehungsweise unterlag. Das Fehlen eines amtlichen Rückrufs müsse Kläger also nicht von ihrem Weg vor Gericht abhalten.
Zum Auftakt von Dieselgate 2.0 hatte übrigens das Landgericht Regensburg die Zykluserkennung beim EA288 als sittenwidrige Schädigung gewertet (Urteil vom 06.02.2020, Az.: 73 O 1181/19). Dem Kläger wurde für seinen VW Golf 7 ein Schadenersatz von 9.149 Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen. Seither haben verschiedene Gerichte geschädigten Verbrauchern für die Manipulationen an den EA288-Fahrzeugen Schadensersatz zugesprochen.