Dieselgate 2.0 und kein Ende für die Volkswagen AG: Mehr und mehr Landgerichte entscheiden gegen den Autohersteller und bestätigen geschädigten Verbrauchern, dass ihnen durch den Kauf eines Fahrzeugs mit dem Euro 6-Dieselmotor EA288 – dem Nachfolgemotor des Euro 5-Dieselmotors EA189 – ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist und dass sich die Volkswagen AG nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftbar gemacht hat. Das jüngste Urteil bezieht ich auf einen VW Sharan, den der Käufer im August 2017 gebraucht zu einem Preis von 24.777 Euro mit einer Fahrleistung von 26.980 Kilometern gekauft hatte (über ein Kfz-Darlehen mit einer Anzahlung von 6000 Euro). Das Landgericht Offenburg (Urteil vom 29.07.2020, Az.: 3 O 39/20) sprach dem Kläger 21.671,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent seit dem 12. März 2020 zu. Damit hat der geschädigte Verbraucher beinahe den vollständigen Kaufpreis zurückerhalten. Zudem muss die Volkswagen AG 79 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
Das Gericht hat dem geschädigten Verbraucher Recht gegeben, obwohl der streitgegenständliche VW Sharan noch keinem offiziellen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts unterliegt. Trotzdem hat das Gericht entschieden, dass der Kläger ein Fahrzeug erworben hat, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach. Dadurch hat er einen Schaden erlitten. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit verbotenen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Die verbaute Software erkenne, ob sich das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr befinde und nehme auf dem Rollenprüfstand Änderungen beim Schadstoffausstoß vor. Diese verbotene Abschalteinrichtung führe zu erheblichen Nachteilen für den Kunden, der nicht zuletzt das Risiko einer behördlichen Stilllegung trägt.
Beim aktuellen VW-Dieselgate 2.0 sprechen wir von vielen weiteren Millionen Fahrzeugen. VW-Motoren mit dem Kürzel EA288 mit der Abgasnorm EURO 6 finden sich in zahlreichen Baureihen aller Marken des Volkswagen-Konzerns. Die Dieselmotoren sind nahezu in jedem Dieselfahrzeug als 1.4 TDI, 1.6 TDI oder 2.0 TDI seit dem Jahr 2015 flächendeckend verbaut worden. Der Schaden geht in die Milliarden und kann die Ausmaße, die wir vom ersten Skandalmotor EA189 kennen, noch weit in den Schatten stellen.
Zum Auftakt von Dieselgate 2.0 hatte übrigens das Landgericht Regensburg die Zykluserkennung beim EA288 als sittenwidrige Schädigung gewertet (Urteil vom 06.02.2020, Az.: 73 O 1181/19). Dem Kläger wurde für seinen VW Golf 7 ein Schadenersatz von 9.149 Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen. Dabei wurde eine Nutzungsentschädigung in Abzug gebracht. Durch die Zykluserkennung erkennt ein Fahrzeug, wenn es einen bestimmten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand abfährt und die Motorsteuerung auf ein entsprechend schadstoffarmes Kennfeld umschaltet. Dadurch werden die Abgasrichtlinien der EU zwar in einer Prüfungssituation erreicht, aber nicht auf der Straße.