VW-Dieselgate 2.0 ist in vollem Gange: Nun hat auch das Landgericht Hagen (Urteil vom 11.08.2020, Az.: 3 O 134/19) die Volkswagen AG verurteilt, einen VW T6 („Bulli“) mit dem Skandalmotor EA288 zurückzunehmen und Schadensersatz zu zahlen. Laut Entscheidung verfügt der EA288 als Nachfolger des EA189 über zwei Technologien zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) in Form eines mit Ad-Blue betriebenem SCR-Katalysator sowie in der Abgasrückführung. Diese wird bei einer Temperatur von zumindest +15°C und geringer zurückgefahren, wobei eine signifikante Reduktion jedenfalls bei einer Temperatur von +10°C erfolgt (sogenanntes „Thermofenster“). Der geschädigte Verbraucher hatte den Wagen 2015 neu erworben und erhält jetzt 39.853,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent pro Jahr seit dem 13. Mai 2020. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, die wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt worden ist.
Das Gericht führt weiterhin aus: „Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teurere Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit.“
Das Urteil kommt für die Volkswagen AG zur absoluten Unzeit, versucht der Konzern doch aktuell, Individualkläger im Dieselskandal mit Vergleichsangeboten zu befriedigen und Verbraucherschutzanwälte in einer Werbekampagne schlecht zu machen. „Auf seiner Internetseite will der Autohersteller den Betroffenen erklären, dass es keine Erfolgsaussichten für eine Schadenersatzklage gegen VW bei Fahrzeugen mit dem Motor EA288 gebe. So heißt es zum Beispiel, Klägeranwälte verlören ihre Prozesse ‚zu über 99 Prozent‘ und es gebe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Mit diesen Falschbehauptungen will die Volkswagen AG verhindern, dass gegebenenfalls Millionen von geschädigten Verbrauchern im Rahmen von Dieselgate 2.0 gegen den Konzern vorgehen.
Geschädigte Verbraucher sollten sich davon nicht verrückt machen beziehungsweise abschrecken lassen. „Beim aktuellen VW-Dieselgate 2.0 sprechen wir von vielen weiteren Millionen Fahrzeugen. VW-Motoren mit dem Kürzel EA288 finden sich in zahlreichen Baureihen aller Marken des Volkswagen-Konzerns. Die Dieselmotoren sind nahezu in jedem Dieselfahrzeug als 1.4 TDI, 1.6 TDI oder 2.0 TDI seit dem Jahr 2015 flächendeckend verbaut worden. Der Schaden geht in die Milliarden und kann die Ausmaße, die wir vom ersten Skandalmotor EA189 kennen, noch weit in den Schatten stellen.