Mit zwei weiteren verbraucherfreundlichen Urteilen haben die Landgerichte Darmstadt und Oldenburg das Dieselgate 2.0 rund um den Volkswagenmotor EA288 weiter angefeuert. Das Landgericht Darmstadt verurteilte der Volkswagen AG zur Rücknahme eines Seat Leon ST 1.6 TDI, zur Zahlung von Schadensersatz, zur Freistellung des geschädigten Verbrauchers von den außergerichtlichen Anwaltskosten und zur Übernahme sämtlicher Gerichtskosten (Urteil vom 21.09.2020, Az.: 1 O 89/20). Vor dem Landgericht Oldenburg war ein Audi A3 2.0 TDI streitgegenständlich. Auch hier muss die Volkswagen AG den Wagen zurücknehmen, Schadensersatz und sämtliche Gerichtskosten zahlen und den Kläger von den außergerichtlichen Anwaltskosten freistellen (Urteil vom 06.10.2020, Az.: 1 O 939/20). In beiden Fällen sind die Urteile wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ergangen.
Die Gerichte haben sich sehr deutlich positioniert und nochmals dezidiert herausgestellt, dass die vermeintlich sauberen Dieselmotoren EA288 der Volkswagen AG mitten im Dieselskandal stehen. Das Inverkehrbringen und systematische Vermarkten eines Motors in einer Vielzahl von Fällen stellt im Verhältnis zu Autokäufern ein objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagten dar, wenn diese alle mit einer rechtswidrigen Software ausgestattet sind. Das hat der Bundesgerichtshof mit seinem vielbeachteten Urteil vom 25. Mai 2020 festgestellt.
Das Landgericht Darmstadt argumentierte: „Entsprechend den Modellen mit dem Motor EA189 waren offenbar auch Fahrzeuge mit dem Motor EA288 mit einer rechtswidrigen Software ausgestattet, welche einerseits die Stilllegung der Fahrzeuge nach sich ziehen konnte und andererseits eine Mehrbelastung der Umwelt mit Stickoxiden nach sich zog. In dem Abschluss des Kaufvertrages über das mit einer unzulässigen Software ausgestattete Fahrzeug liegt ein Schaden. Das Fahrzeug war für einen typischen Kunden nicht voll brauchbar und der Abschluss des Vertrages daher als unvernünftig anzusehen.“
Vor dem Landgericht Oldenburg ging es vor allem um das Vorliegen einer Zykluserkennung. Damit erkennt ein Fahrzeug, wenn es einen bestimmten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand abfährt und die Motorsteuerung auf ein entsprechend schadstoffarmes Kennfeld umschaltet. Dadurch werden die Abgasrichtlinien der EU zwar in einer Prüfungssituation erreicht, aber nicht auf der Straße. Die Zykluserkennung stellt eine illegale Abschalteinrichtung dar. Ebenso argumentiert das Gericht zugunsten des geschädigten Verbrauchers mit der sekundären Darlegungslast.
Der Kläger hat sehr konkret zu dem in seinem Fahrzeug eingebauten Motor und den behaupteten vorliegenden Abschalteinrichtungen und deren Funktionsweise vorgetragen und die Volkswagen AG unter anderem dazu aufgefordert, bestimmte Prüfunterlagen des Kraftfahrt-Bundesamts vorzulegen. Der Kläger hat damit in seiner Position alles Mögliche getan, um das Vorliegen illegaler Abschalteinrichtungen zu belegen. Daher trifft die Volkswagen AG die sekundäre Darlegungslast. In dem Rahmen ist der Hersteller aufgefordert worden, zu den Hintergründen der Zykluserkennung vorzutragen. Das ist laut Gericht nicht geschehen.
Die Gerichte haben einmal mehr herausgestellt, dass auch der EA288 mitten im Dieselskandal steht. Die Volkswagen AG als Herstellerin wird immer öfter im Dieselgate 2.0 für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung verurteilt. Käufer müssen die massiven Wertverluste und möglicherweise drohenden Fahrverbote im Dieselskandal nicht einfach hinnehmen, sondern können eben auf dem Wege der Betrugshaftungsklage ihre Fahrzeuge zurückgeben und sich dafür entschädigen lassen. Der Weg zu einer wirtschaftlich guten Lösung für Dieselfahrer im Dieselgate 2.0 führt also nur über die Gerichte!