Vor dem Landgericht Offenburg hat die Audi AG eine weitere Niederlage im Dieselabgasskandal einstecken müssen. Die Richter verurteilten den Autohersteller hur Rücknahme eines Audi A5 3.0 TDI und zur Zahlung von Schadensersatz (Urteil vom 09.10.2020, Az.: 2O 57/20). Der Wagen ist mit dem Dieselmotor EA897 mit der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet. Der geschädigte Verbraucher erhält den Kaufpreis (30.250 Euro) des Anfang 2019 gebraucht erworbenen Wagens abzüglich einer Nutzungsentschädigung, die Audi AG muss die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen.
Die Entscheidungsgründe für das verbraucherfreundliche Urteil sind eindeutig. Der Audi A5 ist mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Schließlich wurde in den von Volkswagen hergestellten Motoren eine Software eingebaut, die bei Testläufen auf einem Abgasprüfstand diesen erkennt und sodann das Abgassystem ansteuere und sowohl die Abgasrückführung als auch die Abgasnachbehandlung für den Prüfzyklus jeweils auf Höchstbetrieb umschalte. Im normalen Fahrbetrieb werde die Abgasrückführungsrate indes bei Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators gemindert.
Dass Abschaltvorrichtungen grundsätzlich illegal sind, wenn sie zu erhöhtem Emissionsausstoß im realen Straßenbetrieb führen, hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof Eleanora Sharpston in einem vielbeachteten Verfahren am 30. April 2020 klargemacht. Diese Vorrichtungen seien nur in ganz engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors erlaubt. Daher hat auch das Landgericht Offenburg die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB bejaht.
Apropos vorsätzliche sittenwidrige Schädigung: Dieser Vorwurf entfalle laut Gericht auch nicht deshalb, weil die Audi AG bereits vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den geschädigten Verbraucher Weisung an ihre Vertragshändler erteilt habe, dass die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs nur nach entsprechendem Hinweis an die Kaufinteressenten über die Beanstandungen und die erforderlich Software-Aktualisierung verkauft werden dürften. Das sei nicht zufolge dem Landgericht Offenburg nicht ausreichend, um für eine wirksame Aufklärung potenzieller Käufer durch die Vertragshändler zu sorgen und somit den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung zu entkräften. Bei den Vertragshändlern der Audi AG handle es sich um selbstständige Unternehmen, deren Interesse naturgemäß primär auf den Verkauf der entsprechenden Fahrzeuge gerichtet sei. Dass eine Aufklärung potenzieller Kunden über die manipulierten Abgaswerte den Verkauf zumindest erschwere, liege auf der Hand. Diesem deutlichen Interessenkonflikt hätte die Audi AG wirksam begegnen müssen, indem beispielsweise der Verkauf ohne nachweisliche Aufklärung ausdrücklich untersagt worden wäre.
Das ist für geschädigte Verbraucher eine interessante Entwicklung. Selbst nach Bekanntwerden des Dieselskandals wird also nicht automatisch von einer zwangsläufigen Kenntnis der Probleme ausgegangen, und Hersteller können auch nicht die Verantwortung auf die Händler abwälzen. Das ist vorteilhaft für Kläger, weil der Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht einfach durch den Hersteller abgeschmettert werden kann.