Im Dieselskandal rund um die Fahrzeuge der Volkswagen AG wird immer wieder über das Problem einer möglichen Verjährung von Schadensersatzansprüchen diskutiert. Verständlicherweise sieht die Volkswagen AG dies sieht und trägt immer wieder vor, dass insbesondere Ansprüche beim Skandalmotor EA189 daher nicht mehr durchsetzbar seien. Diese seien – nach dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 – längst verjährt. So klar ist die Sache aber natürlich nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird diese Frage am 14. Dezember 2020 in einer mündlichen Verhandlung erörtern (Az. VI ZR 739/20). Ob an diesem Tag auch das Urteil gefällt wird, ist offen.
Das Verfahren vor dem obersten deutschen Gericht kommt zustande, nachdem Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 14. April 2020 (Az. 10 U 466/19) die Klage eines geschädigten Verbrauchers auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB wegen der durch die Vertreter der Volkswagen AG erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen hat. Da der Kläger bereits im Jahr 2015 Kenntnis vom Dieselskandal und den Auswirkungen auf sein Fahrzeug erlangt habe, hätten die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorgelegen. Die Rechtslage sei nicht unsicher und zweifelhaft gewesen, sodass die Klageerhebung zumutbar gewesen sei, heißt es beim Oberlandesgericht Stuttgart. Der geschädigte Verbraucher hatte im April 2013 einen VW Touran mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 (Abgasnorm Euro 5) erworben. Der Motor enthielt eine Software, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb.
Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist. Der von VW erschlichene finanzielle Vorteil muss an die Geschädigten zurückgegeben werden, und die Verjährung tritt frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein.
Auch die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wirkt verjährungshemmend. Dazu hat das Oberlandesgericht Oldenburg schafft mit seinem Urteil vom 17. September 2020 (Az. 14 U 74/20) Klarheit geschaffen. Angemeldete Teilnehmer der Musterfeststellungsklage, die den Vergleich mit VW nicht angenommen haben, haben noch bis zum 30. Oktober 2020 Zeit, individuell Klage zu erheben.
Das bedeutet: Es ist sehr positiv, dass Verbraucher ziemlich sicher auch weiterhin den Klageweg beschreiten können und voraussichtlich mindestens bis Ende des Jahres 2020 keine Verjährung fürchten müssen. Im Übrigen gilt dies auch für Verbraucher, die erst nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals ihre Fahrzeuge in Treu und Glauben an die volle und legale Funktionsfähigkeit der Abgassteuerung erworben haben. Mehr und mehr wird jetzt deutlich, dass das erste Dieselgate um den Skandalmotor EA189 längst nicht beendet ist. Es lohnt sich immer noch, Schadensersatzansprüche auf dem Wege der Betrugshaftungsklage gegen die Volkswagen AG und die Tochtermarken prüfen zu lassen.
Das Dieselgate 2.0 bezüglich des VW-Nachfolgemotors EA288 wird geschädigten Dieselkäufern in den nächsten Jahren zudem weitreichende Schadensersatzansprüche zusprechen. Wir haben eine Informationsseite zur neuen EA288-Thematik eingerichtet und listen dort alle Modelle von Audi, VW, Seat und Skoda auf, die sehr vom VW EA288 Dieselskandal betroffen sind.