Der VW-Dieselskandal zieht juristisch immer weitere Kreise. Jetzt geht die rechtliche Aufarbeitung des Dieselskandals bei Volkswagen in die nächste Runde. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat eine dritte Anklage erhoben: Angeschuldigt sind nun auch acht teils hochrangige frühere Manager des Autobauers. Ihnen wird vorgeworfen, „in ihrer jeweiligen verantwortlichen Position“ zwischen November 2006 und September 2015 den Einbau der Manipulationssoftware bei der Abgasreinigung von VW-Dieselfahrzeugen „gefördert, unterstützt oder zumindest trotz Kenntnis der Illegalität nicht unterbunden“ zu haben, stellt die Staatsanwaltschaft Braunschweig heraus. Bei dem Strafverfahren geht es um mutmaßlichen Betrug, Falschbeurkundung und Wettbewerbsverstöße sowie teilweise um Untreue und Steuerhinterziehung. Als maximaler Schaden in dem 44 Seiten langen Anklagesatz ist laut Informationen des Handelsblatts eine Summe von 77,9 Milliarden Euro genannt.
Zu den Angeklagten gehören der frühere Leiter des Qualitätsmanagements und Generalbevollmächtigter bei Volkswagen sowie einer der früheren engsten persönlichen Mitarbeitern des ausgeschiedenen Konzernchefs Martin Winterkorn, der zugleich auch den Ausschuss für Produktsicherheit leitete. Beide Manager waren frühzeitig mit dem Dieselthema befasst. In einem Schreiben vom 23. Mai 2014, das der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ vorliegt, listete der ehemalige Generalbevollmächtigte für den damaligen Vorstandsvorsitzenden Winterkorn verschiedene Probleme auf und teilte dabei explizit die Überschreitung der Stickoxid-Emissionen bei Diesel-Pkws der Volkswagen AG im Echtbetrieb mit.
Auch Martin Winterkorn muss sich wegen des Abgasskandals vor Gericht in einem öffentlichen Strafverfahren verantworten. Es bestehe ein hinreichender Tatverdacht „wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs“, teilte das Landgericht Braunschweig mit. Wann der Prozess beginnt, ist noch offen. Die Ermittler hatten den heute 73-jährigen Manager im April 2019 aufgrund seiner Rolle im Dieselskandal angeklagt. Es geht um den Vorwurf des schweren Betrugs und des Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Zusammenhang mit Manipulationen an den Abgaswerten von Millionen Fahrzeugen.
Zusätzlich zu dem schon feststehenden Betrugsprozess muss sich der ehemalige VW-Konzernchef jetzt auch noch auf ein öffentliches Gerichtsverfahren wegen mutmaßlicher Marktmanipulation im Abgasskandal vorbereiten. Im Fall einer Verurteilung könnten dem früheren Topmanager für das erste Delikt maximal zehn Jahre Freiheitsstrafe drohen, für die mögliche Irreführung von Anlegern immerhin eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft.
Der Hintergrund: Am 22. September 2015 hatte die Volkswagen AG in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt gegeben, dass in den millionenfach verbauten Motoren EA189 eine Software zur Prüfstandserkennung verbaut worden ist – also zur Abgasmanipulation. Auf dem Prüfstand wurden dadurch die Grenzwerte für Stickoxid eingehalten, im normalen Straßenverkehr allerdings nicht. Am 15. Oktober 2015 erließ das Kraftfahrt-Bundesamt daraufhin einen Rückruf und ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus. Fahrzeuge mit EA189-Motoren mussten mit einem Software-Update nachgerüstet werden. Das Problem: Das Software-Update behob den Schaden aber nicht, sondern sorgte sogar für weitere Schwierigkeiten, beispielsweise einen höheren Kraftstoffverbrauch. In der Folge setzte dann eine Welle von Betrugshaftungsklagen auf Schadensersatz gegen Volkswagen und andere Hersteller wegen der Abgasmanipulation ein.