Es bleibt ernst für die Daimler AG im Dieselskandal. Gleich zwei Landgerichte (LG Wuppertal, Beschluss vom 30.06.2020, Az.: 17 O 227/19; LG Stuttgart, Beschluss vom 29.07.2020, Az.: 24 O 38/20) haben festgelegt, dass die Vorwürfe der Abgasmanipulation gegen die Daimler AG in den streitgegenständlichen Fahrzeugen durch einen unabhängigen Gutachter festgestellt werden sollen. In beiden Fällen steht bei der Prüfung im Fokus, ob die Fahrzeuge über eine Software so gesteuert würden, dass nach definierten Strecken- und Schadstoffparametern die Abgasreinigung gedrosselt beziehungsweise abgeschaltet und erkannt werde, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befinde.
Das macht den Dieselskandal für die Daimler AG mit seiner Kernmarke Mercedes-Benz nicht einfacher. Es steht für die geschädigten Verbraucher nicht zu befürchten, dass die Sachverständigen die Zulässigkeit der Steuerungs-Software bestätigen werden. Abschalteinrichtungen wie Thermofenster bei der Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen sind grundsätzlich unzulässig. Das hat die EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston in ihrem Schlussantrag zu einem vielbeachteten Verfahren am Europäischen Gerichtshof EuGH klargemacht. Entscheidend bei dem EuGH-Verfahren ist die Aussage, dass auch temperaturabhängige Abgaskontrollsysteme unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen.
Die Daimler AG ist ohnehin hart vom Dieselabgasskandal betroffen und setzt unter anderem das sogenannte „Thermische Fenster“ ein. Damit ist ein Temperatur-Korridor gemeint, in dessen Rahmen die Abgasverarbeitung funktioniert. Unter und über bestimmten Temperaturen wird die Abgasbehandlung mit dem Argument des Bauteilschutzes vor Überhitzung rigoros abgeschaltet, sodass die tatsächlichen Ausstöße weit über dem der offiziellen Testphasen liegen.
Besonders betroffen sind die Motoren des Typs OM 651, OM 622, OM 626, OM 607, OM 654 und OM 642, dementsprechend hat es auch schon diverse Rückrufe für Mercedes-Modelle mit Dieselmotoren gegeben. Mittlerweile musste die Daimler AG zahlreiche verschiedene Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 und auch Euro 6 zurückrufen. Generell sind viele Fahrzeuge der A-, B-, C-, E- G-, R- und S-Klasse betroffen – also aus allen Baureihen!
Darüber hinaus hat das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 30.07.2020, Az.: 333 O 178/19) die Daimler AG ausdrücklich aufgefordert, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vorzutragen, „wie das Abgasrückführungssystem genau im Normalbetrieb funktioniert und welche Softwareprogramme wie genau auf dieses System im Prüfstand zugreifen und die Ergebnisse beeinflussen. Die Beklagte möge die Funktionsweise der Abgasrückführungsregelung genau und temperaturabhängig darlegen, insbesondere auch angeben, in welchem Maße die Rückführung bei welchen Temperaturen und warum reduziert wird. Auch möge vorgetragen werden, inwieweit Gründe des Motorschutzes eine Veränderung der Abgasrückführung in welchem Umfang erforderlich machte und nicht durch andere technische Lösungen hätte vermieden werden können.“
Das sind weitere Anhaltspunkte für die Rolle der Daimler AG mit ihrer Premium-Marke Mercedes-Benz im Dieselskandal. Immer mehr Gerichte urteilten im Sinne der Verbraucher gegen die Daimler AG und sprächen ihnen im Wege von Betrugshaftungsklagen Schadensersatz zu. Daimler werde es immer schwieriger haben, die angebliche Zulässigkeit der Thermofenster bei der Abgasreinigung zu begründen.