Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 7. August 2020 (Az.: 2-19 O 279/19) die Volkswagen AG zum Schadensersatz im Diesel-Abgasskandal rund um den Motorentyp EA189 verurteilt. Streitgegenständlich war ein 2014 für 15.500 Euro gebraucht gekaufter VW Golf 1,6 TDI, für den die Käuferin nun 10.122,80 Euro nebst deliktischer Entziehungszinsen und der Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhält. Ebenso hat die Volkswagen AG 65 Prozent der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das ist ein ganz typisches Urteil gegen die Volkswagen AG. Der EA189-Motor mit der Euro 5-Norm hat das Dieselgate 1.0 ausgelöst. Die darin verbaute Software erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder im Straßenverkehr. Auf dem Prüfstand findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im Straßenverkehr hingegen schaltet der Motor in einen anderen Modus, wodurch die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Das ist ein ganz klarer Fall von vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.
ie Urteilsbegründung bestätigt zudem, dass auch noch im Jahr 2020 Klagen in unverjährter Zeit gegen die Volkswagen AG wegen des Motorentyps EA189 möglich sind. Insbesondere hat die Verjährung nicht im Jahr 2015 begonnen: „Der Beginn der Verjährung kann nicht mit dem Ende des Jahres 2015 angesetzt werden, da zu diesem Zeitpunkt eine hinreichend aussichtsreiche Klage gegen die Beklagte als Hersteller noch nicht erhoben werden konnte. Die Beklagte, die in 2016 und 2017 in ihren Klageerwiderungen mitzuteilen pflegte, wie viele deutsche Gerichte bereits gegen die Verbraucher entschieden hätten, kann nun nicht damit gehört werden, dass bereits im Jahre 2015 ein Verbraucher eine hinreichend aussichtsreiche Klage gegen sie hätte erheben können“, heißt es beim Landgericht Frankfurt am Main.
Volkswagen bestreite bis heute, dass ihre Vorstandsmitglieder beziehungsweise andere Personen, deren Verhalten der Beklagten nach § 31 BGB zugerechnet werden könnten, die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Kenntnis der sogenannten Umschaltlogik besessen hätten. Und weiter: „Im Jahre 2015 versprach die Beklagte allerdings noch lückenlose Aufklärung der Umstände, die zu der Entwicklung und dem Einbau der sogenannten Umschaltlogik geführt haben. Allerdings ist dem erkennenden Gericht bis heute nicht bekannt, zu welchem Ergebnis die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen insoweit geführt haben. Einem Außenstehenden ist es bis heute nicht möglich, anzugeben, wann wer im VW-Konzern diese Entscheidung tatsächlich gefällt hat.
Auch die nun in der BGH-Entscheidung vom 25.5.2020 ausdrücklich gebilligte Anwendung der Rechtsfigur der sekundären Darlegungslast war noch in den Jahren 2017 und 2018 in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten. Die Rechtssprechungsübersicht des ADAC zu dem VW-Abgasskandal zu Fahrzeugen mit EA 189-Motoren wies noch am 23. Juli 2017 aus, dass 36 Urteile verschiedener Gerichte Ansprüche gegen den Hersteller auf Schadenersatz bejaht hatten und 14 Urteile verschiedener Gerichte solche Ansprüche verneint hatten. Dies ist der erkennenden Richterin aus eigener Anschauung bekannt, weil sie zu diesem Zeitpunkt die ADAC Rechtsprechungsübersicht ausgedruckt hatte.“
Das bedeutet, dass Forderungen im Diesel-Abgasskandal gegen Volkswagen AG bezüglich des Motorentyps EA189 derzeit immer noch nicht verjährt sind. Selbst bei verjährtem Anspruch aufgrund § 199 BGB besteht ein Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB, was in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht in ausreichendem Maße zugunsten der Verbraucher berücksichtigt worden ist. Sehr positiv ist jetzt, dass Verbraucher ziemlich sicher auch weiterhin den Klageweg beschreiten können und mindestens bis Ende des Jahres 2020 keine Verjährung fürchten müssen.
Nach den Bestimmungen aus § 852 BGB hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist. Der von VW erschlichene finanzielle Vorteil muss an die Geschädigten zurückgegeben werden, und die Verjährung tritt frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein. Es gilt also: Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. Mai 2020 bereits deliktische Ansprüche zugesprochen hat, stehen die Schadensersatzansprüche den geschädigten Dieselkäufern aus § 852 BGB in jedem Fall zu.
Das Amtsgericht Marburg (Urteil vom 16.06.2020, Az.: 9 C 891/19) hatte erstmals diese Rechtsauffassung bestätigt. Das Landgericht Magdeburg (Urteil vom 25.06.2020, Az.: 10 O 1856/19) ist jetzt nachgezogen und sieht einen Restschadensanspruch gegenüber VW nach § 852 BGB, der erst nach zehn Jahren ab Kauf des Fahrzeugs verjährt. In der Urteilsbegründung wird herausgestellt, dass „ein Anspruch aus § 852 BGB mit 10-jähriger Verjährungsfrist gegeben ist“.