In zwei Wochen wird es das erste Urteil des Bundesgerichtshofs im VW-Abgasskandal geben. Der BGH wird seine Entscheidung zum Verfahren unter dem Aktenzeichen VI ZR 252/19 am 25. Mai bekannt geben. Der VI. Zivilsenat des BGH hat seine Einschätzung in der Verhandlung am 5. Mai schon klargemacht. Demnach ist mit einer verbraucherfreundlichen Entscheidung und einer Verurteilung von VW zu Schadensersatz zu rechnen.
In dem Verfahren vor dem BGH ging es um einen von den Abgasmanipulationen betroffenen VW Sharan mit dem Dieselmotor EA 189, den der Kläger gebraucht gekauft hatte. Der BGH machte klar, dass er Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wohl für gerechtfertigt hält und das Urteil des OLG Koblenz wahrscheinlich im Wesentlichen bestätigen wird. Das bedeutet, dass VW das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten muss. Dadurch wird auch klar, dass der Schadensersatzanspruch gegen VW auch bei Gebrauchtwagen besteht und Volkswagen sich nicht mit dem Argument, dass es gar keine vertragliche Beziehung mit dem Kläger gebe, aus der Verantwortung stehlen kann.
Auch für geschädigte Verbraucher, die sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt und das Vergleichsangebot von VW angenommen haben, ist die Einschätzung des BGH ein deutlicher Hinweis, dass sie Schadensersatzansprüche auch individuell durchsetzen können. Innerhalb von 14 Tagen kann die Annahme des Vergleichs noch widerrufen werden. VW drückt nun aufs Tempo und forderte einen Mandanten von Hartung Rechtsanwälte auf, innerhalb von 24 Stunden zu erklären, dass er den Vergleich mit Volkswagen verbindlich abschließen möchte. Das ist natürlich eine unangemessen kurze Frist.
Auch nach Vergleich und BGH-Urteil wird VW den Abgasskandal nicht hinter sich lassen können. Denn die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston machte in ihrem Gutachten Ende April deutlich, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie dazu führen, dass die Grenzwerte beim Emissionsausstoß im realen Betrieb nicht eingehalten werden.
Ausnahmen seien nur in engen Grenzen zulässig. Den Motor vor langfristigen Beeinträchtigungen wie Verschleiß oder Versottung zu schützen, gehöre nicht zu diesen Ausnahmen, machte die Generalanwältin klar.
Das bedeutet, dass nicht nur die Abschalteinrichtung im Motor EA 189 unzulässig ist, sondern z.B. auch eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasreinigung. Solche sog. Thermofenster setzt VW beim Nachfolgemotor EA 288 ein. Auch anderen Autobauer wie Daimler verwenden diese Thermofenster mit dem Argument des Motorschutzes. Nach der Argumentation der EuGH-Generalanwältin sind sie unzulässig.
Selbst nach dem Software-Update beim EA 189 würde wieder eine illegale Abschalteinrichtung bestehen. Das Landgericht Düsseldorf hat schon im Juli 2019 entschieden, dass auch nach dem Update bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung besteht, weil ein sog. Thermofenster bei der Abgasrückführung verwendet wird. Dies hat zur Folge, dass die Abgasreinigung bei höheren und tiefen Temperaturen reduziert wird. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe zwar grünes Licht für das Update gegeben. Allerdings entscheide es nicht darüber, ob eine Abschalteinrichtung zulässig ist. Das sei Aufgabe der Gerichte, stellte das Landgericht Düsseldorf klar. Beim Motor EA 189 führe das Thermofenster nach dem Software-Update dazu, dass das Fahrzeug weiterhin nicht den europäische Vorschriften entspricht, stellte das LG Düsseldorf klar. Dieses Urteil deckt sich im Grunde genommen mit der Einschätzung der EuGH-Generalanwältin. Folgt der EuGH der Generalanwältin, was durchaus üblich ist, erhält der Abgasskandal eine ganz neue Dimension und betrifft nicht nur VW.
Weiterer Ärger droht VW im Abgasskandal auch von den Aktionären. Volkswagen hatte sich lange dagegen gewehrt, dass ein externer unabhängiger Sonderprüfer die Vorgänge rund um den Dieselskandal durchleuchtet. Einen internen Untersuchungsbericht hat Volkswagen nie veröffentlicht. Nun hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Sonderprüfung durchgesetzt. Das OLG Celle hat entschieden, dass der externe Sonderprüfer kommt (Az.: 9 W 69/19). Die Ergebnisse dieser Sonderprüfung werden dann öffentlich gemacht.